Klettern bei Goethe

 

Klettern bei Goethe

Beim Wort Thüringen dürften italienerfahrene Kletterer aus dem Ruhrpott spontan kaum an eine Reise zum Felsenklettern denken. Bekanntermaßen gibt es auf den Höhen dieser Region ohnehin nur grüne Wälder. Mit Pizza dürfte es ebenda auch nicht weit her sein, ja, selbst um die Currywurst muss man vielleicht bangen. Gewiss dürften die Gemälde des inneren Auges vornehmlich das projizieren, wofür Thüringen überregional bekannt ist: Rennsteig und Wandern oder Weimar und Goethe.

Gängige Klischees, die ich, vor einiger Zeit vom Niederrhein zugezogener Neu-Erfurter, im Folgenden aus eigener Anschauung mit anderer Perspektive etwas beleuchte. 

Mittlerweile durch empirische Eindrücke gut belegbar erscheint mir jedenfalls, dass Arco und Finale Ligure nicht bei der Anzahl der Kletterrouten, sicher aber bei der der Bratwurststände etwas zurückliegen dürften. Und in der Tat, man isst die Thüringer Bratwurst original auch nur direkt vom Rost ins Brötchen und mit Senf. Zur profanen Currywurst entweiht und so des krossen Bisses und des speziellen Gewürzaromas beraubt, wäre es ein Frevel.

So wie die Bratwurst Kulturgut, sogar ein Thüringer Bratwurstkönig residiert, so ist es eindeutig auch Wandern im wortwörtlich weitläufigen und grünen Thüringer Wald. Sei es die traditionelle 169,3 km lange „Runst“ über den Kammweg des Thüringer Waldes und Schiefergebirges, den vielbesungenen Rennsteig. Oder auch auf einem seiner Seitenäste, den insgesamt 44 sogenannten Rennsteig-Leitern mit ihren spezifischen Sehenswürdigkeiten oder einfach nur so, an schönen Möglichkeiten mangelt es im ganzen Lande  selten.

Zweifelsfrei ist Weimar auch eine kleine, aber umso feinere sehen- und erlebenswerte Perle unter den europäischen Kulturhauptstädten. Angefangen beim malerischen Stadtbild mit Goethes, Schillers und Herders Wohnhäusern mittendrin und den Themen rund um die weltbekannte Weimarer Klassik mit ihren Poeten der Sehnsucht und Freiheit. Nicht minder interessant, das Vermächtnis der in Weimar wirkenden Musiker, allen voran Liszt, der Weimar zu einem Musikzentrum von europäischem Rang machte und dessen Name die heutige Hochschule für Musik trägt. Auch das Erbe des Weimarer Bauhauses hat in der Stadt seine Spuren hinterlassen und im heutigen gleichnamigen Museum einen zentralen Anlaufpunkt gefunden. Unter den vielen weiteren Glanzstücken in und rund um Weimar, etliche auch auf der Unesco Weltkulturerbeliste, seien insbesondere die schönen Parks und Gärten früherer Epochen dem Besucher für Spaziergänge oder oft eher kleine Wanderungen empfohlen. Beispielsweise durch den Stadtpark an der Ilm, u.a. vorbei an oder mit Besuch von Goethes Garten und Gartenhaus oder das durch ihn maßgeblich mitgeprägte Bauwerk, das Römische Haus. Oder auch durch den über die repräsentative Belvederer Allee erreichbaren 43 ha großen Landschaftspark des Schlosses Belvedere mit den russischen Gärten der Zarentochter und russischen Großfürstin Maria Pawlowna. A propos Goethe, er ist nicht nur in Weimar omnipräsent, sondern begegnet einem auch im Lande immer wieder. Selbst wo man ihn nicht erwarten würde und oft anders als vom Deutschunterricht bekannt. Als Minister des Herzogs hat er auch durch die von ihm begleiteten Ämter vielfältig und einflussreich Spuren hinterlassen.  Goethe und ein Kletterer? Na,… darauf komme ich später zurück.

Bis hier greifen diese Klischees zu Thüringen doch erstaunlich gut, aber was vermutlich allgemein weniger bekannt sein dürfte ist, „dass man in Düringen auch brima gleddern gann“. Die für die lokalen Dialekte charakteristische binnendeutsche Konsonantenschwächung (Linguistischer Fachbegriff) sollte nicht dazu verleiten, beides, Dialekt und Klettertechnik, mit dem “sägsch” des östlichen Nachbarlandes gleichzusetzen. Eine kletterkulturelle Verbindung, das Wandbuch, ist aber auch in Thüringen häufig anzutreffen.

Aber wo klettert man, abgesehen von Kletter- und Boulderhallen, denn nun in Thüringen? Die Berge jedenfalls, auch wenn sie so heißen, haben hier gar keine typischen Bergspitzen oder Gipfelgrate, sondern Plateaus oder flache Kuppen. Die Gipfel der drei höchsten Berge Thüringens, Großer Beerberg (983 m),  Schneekopf (978 m) und Großer Finsterberg (944 m) sind flach wie ein Fußballfeld, nur sehr viel größer als ein solches und gehen erst am Plateaurand in mehr oder minder steiles Gefälle über. Den Großen Beerberg bedeckt obenauf ein nicht zugängliches, streng geschütztes Hochmoor. Desgleichen, nur kleiner, findet sich ebenso auf einem Teil des Schneekopfs. An sich nur zweithöchster Berg, aber mit seinem Aussichtsturm mit 1.001 Meter höchster Punkt Thüringens. Die an der Turmaußenwand eingerichteten Kletterrouten dürften Hallenkletterer bestimmt etwas heimisch fühlen lassen. Aber dafür allein lohnt der „Aufstieg“ zum Gipfelplateau nicht. Wofür, das liest man schon bei Goethe, der den Schneekopf am 7. September 1780 erwanderte und dazu an seine Freundin Frau Charlotte von Stein schrieb: "Auf dem Schneekopf ist die Aussicht schön - bin vergnügt über die weiten Aussichten, die sich mir auftun". Des Dichters Worten darf man getrost vertrauen und heutzutage bietet die am Plateau liegende neue Gehlberger Hütte dem Wanderer sogar Gastronomie und Herberge. Aber ansonsten, auf all den vielen Bergeshöhen stehen dann doch überall nur diese vielen grünen Bäume herum, die, sofern keine Aussichtstürme vorhanden, zudem die Fernsicht versperren und Orientierung erschweren. Wo soll denn da der hochmotivierte Klettersportler felsige Gipfel oder Gipfelgrate zum Klettern finden? 

Nun ja, der Kletterer braucht hierzulande so etwas gar nicht. Es wird nämlich, wie noch häufig zu lesen sein wird, zumeist an Steinen geklettert, die sich unterhalb der Gipfellagen finden. Was im Thüringer Wald auch wesentlich mit den speziellen erdgeschichtlich geologischen Vorgängen seiner Entstehung zu tun hat. Daher und wegen der Vielfalt der Gesteinsarten, lautet der Titel des 416 Seiten umfassenden Thüringer Standardwerkes für Kletterer auch SteinReich. Und wie es sich mit Steinen so verhält, sie sind selten sehr hoch und liegen zahlreich und verstreut. Der Kletterführer beinhaltet alle Thüringer, auch die in Nordthüringen gelegenen Sandsteinklettereien und die am Kyffhäuser. Ebenso einen kleinen Abschnitt zum Eisklettern mit einigen Locations hinter Eisenach und bei Tambach-Dietharz (abhängig von winterlichen Bedingungen).

Zu den etwa 1.500 beschriebenen Kletterrouten in beinahe allen Schwierigkeitsgraden charakterisiert der Kletterführer: „Im Gros bieten die hier aufgeführten Routen Sportklettercharakter von der Prägung: 10 Exen an den Gurt und ab geht die Post! Doch die Weisheit „wer in Thüringen klettern kann, kann überall klettern“ kommt nicht von ungefähr und so muss gesagt sein, dass hier und da die Felsqualität eher von cripser Beschaffenheit ist. Gerade der Prophyr und das Konglomerat neigen ab und an dazu, der Schwerkraft nachzugeben.“ 

Aus eigener Anschauung kann ich bezeugen, dass kleine Paradiese sowohl für sehr schwere Sportklettereien als auch mit alpinem Charakter vorzufinden sind. Das Mitführen und Beherrschen des Umgangs mit mobilen Sicherungsmitteln (Stopper, Schlingen, etc.) ist gelegentlich anzuraten, sei es auch nur ergänzend mal an einer kritischen Stelle mit großem Hakenabstand. Die Vielfalt bietet auch für jede Jahreszeit und Wetterlage besonders geeignete Stellen, vereinzelt auch bei Schnee oder Regen. Zwar eher klein und fein, aber speziell für Ortsnahe und -kundige ist dadurch auch einfach mal schnell zwischendurch oder nach Feierabend was möglich, so wie andernorts joggen oder rudern.

Für Urlauber bietet sich Klettern vorrangig für Kurztrips oder in Kombination mit weiteren Aktivitäten und Interessen an, sei es das bereits erwähnte Wandern oder der Besuch alter, schöner oder historisch interessanter Orte und Sehenswürdigkeiten, die auch wiederum wirklich zahlReich sind.

Zu diesen zählt die Landeshauptstadt Erfurt. Jeder, der nach Thüringen kommt, sollte einen Besuch, zuallererst der sehenswerten Altstadtreviere, ins Auge fassen. Nicht zuletzt wegen der vielfach erhaltenen, restaurierten, teils noch spätmittelalterlichen Bausubstanz. Darunter die einzigartige Krämerbrücke aus dem Jahre 1472, mit ihren 32 Fachwerkhäuschen längste durchgehend mit Häusern bebaute Brücke Europas. Deren Ähnlichkeit zur Ponte Veccio in Florenz sowie der von vielen Wasserläufen durchzogene Altstadtbereich Klein-Venedig, mögen neben unzähligen Touristenschwärmen vielleicht die vergleichsweise hohe Zahl von echten „Italienern“, also italienisch geführten Restaurants, in Erfurt erklären. Die meist muttersprachlichen Kellner sind, wie man sie kennt, natürlich international gewandt und verstehen neben dem lokalen Bizza und Basda selbstverständlich auch fremde Dialekte. Aus dem Ruhrpott stammende Kletterer sollten also insofern auch nicht verhungern, allerdings dort nicht auf Currywurst hoffen, die aus dem Süden bekannte Pizzavielfalt ist ihnen jedoch sicher.

Auch der Thüringer Kletterführer findet sich für sie in der Auslage eines Erfurter Outdoorladens in der ersten Reihe und reizt zum Kauf. Was um Ostern 2019 bei mir nicht folgenlos blieb, denn kurze Zeit später befanden mein Kletterpartner Simon und ich uns eines Sonntagmorgens auf dem Weg nach Thüringen.

Zu Gast in Lurchi’s Wohnzimmer  

Von der A4 gelangt man über die Landstraße nach wenigen Minuten bereits im Klettergebiet Lauchagrund, bei einem kleinen Kurstädtchen am Fuß des Thüringer Waldes gelegen, an. Bad Tabarz beeindruckt mit seiner typischen, regionalen und historischen Architektur und deren schmucken Häusern, die aus Zeiten vor den Weltkriegen stammen, als Wohlhabende und die „Schönen und Reichen“ aus Berlin, Leipzig oder Anderswo zur Sommerfrische in Scharen anreisten.

Der sich vom nördlichen Ortsrand bis an den Rennsteig hochziehende Lauchagrund wiederum beeindruckt heutzutage nicht nur Wanderer und Naturkundler mit seinen vielfachen besonderen Reizen und Naturschönheiten, sondern auch Kletterer aufgrund des sehr vielfältigen Angebotes. 

Da dieses ausgewiesene Naturschutzgebiet seltene Flora und Fauna beheimatet, gilt es allerdings für alle gleichermaßen, die jeweiligen, teils saisonalen, Sperrungen von Wegen oder Kletterstellen zu beachten und die natürlichen Refugien zu schonen. Dafür wird man aber auch durch die Rufe des Wanderfalken entschädigt, der hier noch residiert und auf hochgelegen Brutgelegen seine Jungen aufzieht. Auch seltene Molcharten und der Feuersalamander haben hier ihr Reich, zeigen sich aber eher nur bei feuchten Wetterlagen. Zum Schutz der Populationen vor Ausrottung, sollten Besucher aus anderen Regionen vorab generell ihre Schuhe sorgfältig mit Wasser und Bürste von anhaftender Erde säubern, um den Eintrag von Pilzsporen des tödlichen sogenannten „Salamanderfressers“ zu vermeiden.

Neben der Vielfalt von Flora und Fauna und denkmalgeschützten besonderen geologischen Steinformationen wie „Torstein“ und „Backofenloch“, finden sich auch viele Wanderwege und Ziele für ausgedehnte Touren, z.B. den Vulkansteig entlang, hoch zum Rennsteig oder zum Gipfel des Großen Inselsbergs mit Gastronomie und Aussichtsturm. Und da sich im Lauchagrund auch Originaldrehorte des bekannten DEFA-Kultfilms „Das kalte Herz“ aus den 50er Jahren finden, meint, wer die Szenen noch vor Augen hat, an den daraus erinnerten Stellen gleich dem „Kohlenmunk-Peter“ oder „Holländer-Michel“ zu begegnen. 

Dem Klettervolk bietet der Lauchagrund von alpin angehauchten, selbst abzusichernden oder Zwei-Seillängen-Routen bis hin zu für schweres Sportklettern oder Familien geeigneten Stellen mit seinen rund 250 Routen an über 20 Kletterpunkten eine vielfältige Auswahl, wenngleich sich das Gros der Kletterer regelmäßig an einigen bevorzugten Stellen konzentriert.

Eindeutiger Mittelpunkt des Geschehens im Lauchagrund ist aber der in Höhe und Mächtigkeit alles überragende „Aschenbergstein“ mit seinem Gipfelkreuz, der nicht nur viele und anspruchsvolle, sondern auch eine große Auswahl an Zwei-Seillängen Routen mit viel Ausblick bietet. So haben wir uns auch direkt einigen seiner Routen zugewandt, die uns fast den ganzen Tag über gefesselt und beeindruckt haben. Und uns dabei auch die Brüchigkeit des Gesteins aufgezeigt. Bei der letzten Route hielt ein Griff noch wackelfrei beim Zug. Beim anschließenden Auftritt, anderer Kraftvektor, löste er sich, und flog Simon, einige Meter tiefer stehend, nur etwa 2 Meter seitlich am behelmten Kopf vorbei.

Auch Wanderer können nach steilem Weg von der Bergseite kommend, das letzte Stück über eine in den Stein geschlagene steile Treppe, zum Gipfelkreuz gelangen und die herrliche Aussicht über das Tal, die Waldhänge und zum gegenüberliegenden 916 Meter hohen Großen Inselsberg genießen. Man kann auch zu diesem weiterwandern und dann bei guter Fernsicht noch den weiten Rundumblick, u.a. bis zum Brocken im Harz, ausgiebig genießen.

Oder man geht etwas weiter zum talaufwärts nächstgelegenen Kletterziel, dem gerade auch bei Familien aufgrund des dabei liegenden Kinderkletterfelsens „Pittiplatsch“ sehr beliebten „Roten Turm“. Erwähnenswert ist hier auch noch eine spezielle Route, die einen nicht ganz zwei Meter weiten Sprung von der seitlich geneigten Spitze eines kleineren Nachbarfelsens zum „Roten Turm“ (oder umgekehrt) beinhaltet. Der Sage nach soll der letzte Bär des Thüringer Waldes bei einer Treibjagd hierin geflüchtet sein. Beim Versuch, den Jägern noch zu entkommen, soll er den kühnen Sprung gewagt haben. Daher auch der Name des Felsens, „Bärenbruchwand“, da der Bär sich dabei das Genick gebrochen haben soll.

Nun ja, der Bär hatte vermutlich das TOPO gelesen und darauf vertraut, dort ist die Linie mit dem gewagten Sprung nur als 2er Schwierigkeit aufgeführt. Also wer es sich zutraut, nur zu, dennoch scheint mir die 2er Bewertung eher unter dem Aspekt Weitsprung bei den Bundesjugendspielen getroffen und passend. Unter dem Aspekt Verletzungsgefahr und ohne die Sandgrube, scheint es mir doch eher ziemlich „sägsch“ zu sein. Denn ein Seil hilft wenig, die für den Sprung nötige freie Seillänge angesichts der Höhe des letzten Hakens, dürfte vermutlich zum Grounder oder zumindest sehr harten Anschlagen an Kanten führen.

Da Simon und ich beim Vorbeiflug des losen Steins bereits unseren Tagesvorrat an Glück verbraucht meinten, haben wir lieber eine schöne selbst zu sichernde Route nebendran gewählt, um die letzte Route des Tages und den Gipfelsieg gesund und bei bester Stimmung im Gipfelbuch des „Roten Turms“ zu verewigen. 

Laut Kletterführer ist aber ein anderer der beste Sportkletter-Felsen des Lauchagrunds. Und dieser sollte, noch vor der „Großen und Kleinen Angstwand“ und ebenso wie diese, gar nicht weit vom „Roten Turm“ entfernt liegen. Also suchten wir vor dem Rückmarsch nach ihnen, um sie wenigstens noch kurz in Augenschein zu nehmen. Denn alle sind wegen der Gesteins- und Routentypologie und Routenvielzahl, schwerpunktmäßig 6er, bei Sportkletterern sehr beliebte Steine, auch Alexander Huber hat dort schon seinen Schweiß hinterlassen. Die auch hier von der Stein-Nomenklatura abweichende Namensgebung haben wir uns analog zum „Roten Turm“ wiederum mit einer Charakterisierung des jeweiligen Steins erklärt. War etwas voreilig. Jedenfalls beim ersten in der Reihe, bezeichnenderweise mit Namen „Findling“, wir haben ihn einfach nicht gefunden.

Erst bei späteren Besuchen fand ich die Aussagen des Kletterführers bestätigt. Tatsächlich fantastische Routen am mächtigen rundum kletterbaren “Findling”, talseitig bis 30 Meter hoch. Nicht weit vom „Roten Turm“ und dann leicht zu finden, wenn man weiß, wo genau der schmale Pfad beginnt. Der war durch frühjahrsbedingt schnell auswucherndes Gesträuch und nach dem Winter noch nicht niedergetretenes frisches Gras etwas verborgen. 

Den ganzen Tag Klettern macht hungrig. Auf der Suche nach Gegenmaßnahmen stießen wir zufällig auf das ANNO 1700 im Ortskern. Dieses Restaurant bietet mit schönem Ambiente in originalgetreu restauriertem Fachwerkhaus von 1692 eine Karte mit besonderen lukullischen Kreationen. Simon und ich waren jenseits von Bizza, Basda, Bradwursd und Gudbürgerlich beeindruckt und unser körperliches Wohlbefinden bald wieder ausbalanciert.

Dass ich am Jahresende umständehalber nach Erfurt umziehen und diese und viele andere Klettergelegenheiten dann quasi vor meiner Haustür haben würde, ahnte ich auf der Heimfahrt jedoch nicht.

Das erstmalige Aufsuchen des offenen Klettertreffs in Erfurt gelang dann zwar noch, aber die direkt danach folgende Schließung der Klettertreffs aller DAV Sektionen und Kletterhallen aufgrund Corona verzögerte die Suche nach lokalen Kletterpartnern vorerst unfreiwillig. Als kletterseitig einzige Alternative blieb, die verschiedenen Kletterstellen erstmal nur zu erwandern und sie durch Inaugenscheinnahme erkunden. Da ich dem Zufall vertrauend dennoch zumeist Seil, Gurt, etc.  im Rucksack mitführte, konnte ich mich gelegentlich auch mal einsam vor Ort angetroffenen lokalen (Solo)Kletterern anschließen, bzw. Paarigkeit herstellen. Oder wo zugänglich und erlaubt oder über ganz leichte Kraxelrouten möglich, die Umlenker erklettern und von dort durch Abseilen einige der Kletterrouten vis-a-vis in Augenschein nehmen. Die folgenden kleinen Episoden fußen auf diesen kombinierten Exkursionen und Wanderungen.

 

Ein Kosmopolit pfeilschnell mit 320 km/h

Tambach-Dietharz ist ein beschauliches kleines Städtchen und Pate des gleichnamigen Klettergebiets am Fuße des Thüringer Waldes unweit des Rennsteigs. Es liegt eingebettet in viel Natur mit einigen bemerkenswerten kleinen Attraktionen für Besucher.

Bereits auf der Anreise von Georgenthal her kommend tangiert man die weltweit einzigartige Fundstelle der Saurier-Frühzeit, den „ Bromacker“, wiederum Teil des Thüringer Geoparks "Auf den Spuren von Pangäa". Ein 4,5 km langer Saurierinformations- und -erlebnispfad führt am „Bromacker“ dort entlang, wo zwanzig den versteinerten Funden lebensgroß nachgebildete und aufgestellte Saurierfiguren Groß und Klein faszinieren. Faszinieren kann auch schon mal das Zuschauen, wenn manch “Oba” auf den Dinorücken klettert und stolz darauf hockend sich vom Enkel fotografieren lässt. 

Fotogen sind auch die fantastischen Sichten auf Landschaft und Natur, die sich, nicht zuletzt durch die Talsperren nahebei, dem Wanderer immer wieder eröffnen. Auch Kletterfreunde werden mit solcherart Bildern in Tambach-Dietharz zuhauf belohnt, wenn sie sich ihrer Leidenschaft widmen, für die zudem einige Besonderheiten aufwarten.

Dies beginnt bereits innerorts an der Oberhofer Straße. Quasi direkt vom Bürgersteig aus kann man in die Felswand des „Monte Arturio“ einsteigen. Diese beherbergt überdies den Zugang zu einem anmietbaren, ausgebauten Felsen-Partykeller. Und das rechterhand an die Wand angrenzende gleichnamige Ferienhaus „Monte Arturio“, das vermutlich weltweit einzigartig sein dürfte, erlaubt es dem jeweiligen Urlauber, zum Frühsport direkt vom an die Wand reichenden Balkon der Ferienwohnung ganz exklusiv direkt in drei verschiedene Kletterrouten einzusteigen. Allerdings sind für die leicht überhängende Kletterwand gute Kletterkünste vonnöten.

Wer folglich hier nicht klettern mag und sich die Straße nur einige hundert Schritte entlang weiter zum Eingang des Schmalwassergrunds hinbewegt, findet, links und rechts des Weges einander gegenüberliegend, bereits zwei weitere einzigartige Klettermöglichkeiten, zwar auch wieder überwiegend für motivierte Sportkletterer, aber hier dann doch auch noch einige leichtere Routen untergemischt.

Bei der ersten Kletterstelle, dem „Hülloch“ handelt es sich zuallererst um ein sehenswertes Naturdenkmal, eine Art Felsengrotte. Aber nicht nur Naturinteressierte, sondern vor allem die Gattung der Geckos unter den Kletterern dürften bei dem beliebtesten Thüringer Schwerkletterziel große Augen bekommen. Warum, naja, die bis zu 30 Meter langen Routen gehen halt oft mehr oder weniger unter der mittig 14 Meter hohen Decke entlang. Selbst Routen mit der Möglichkeit zum Einhängen der Fußspitzen hinter Kanten und Ausruhen in Fledermausstellung gibt es. Wer sich diesen Herausforderungen gewachsen fühlt, es muss nicht unbedingt gleich die „Sophisticated, eine 11-, sein, hat auch den Vorteil, selbst an einem Regenwettertag klettern zu können. Alle anderen finden bei trockenem Wetter auch außerhalb, links und rechts des „Hüllochs“, dann die zuvor erwähnten weniger herausfordernden Aufgaben.

Gegenüber findet sich, nomen est omen, die „Schmalwasser Ostwand“ fast übergangslos direkt am Bachlauf. Sie bietet wegen dessen kühlenden Plätscherns und des ab dem Spätvormittag aufkommenden Schattens angenehme Kühle an heißen Sommertagen. Was wiederum nur ambitioniertere Kletterer nutzen können, denn die erst 2013 mit guter Absicherung neu eingerichteten interessanten Routen bewegen sich durchgängig im 7er und 8er Schwierigkeitsgrad.

Die grundsätzliche Ausrichtung des Tambach-Dietharzer Gebietes auf die ambitioniertere Kletterklientel ändert sich, trotz einiger leichterer Routen, auch nicht beim nächsten Ziel, gleichzeitig auch Wandererziel, dem sehr bekannten Naturdenkmal „Falkenstein“. Seinen Namen verdankt er unzweifelhaft dem hier ansässigen (noch) weltweit vorkommenden schnellsten Tier, dem Wanderfalken. Als tagaktiven Jäger kann man ihn am Falkenstein oft hören und, etwas Ausdauer und Fernglas sind dabei hilfreich, beim Rütteln und Jagen beobachten. Um sowohl dies und die derzeitige Kletternutzung auch zukünftigen Generationen zu erhalten, ist zeitweilig, bis zum Ende des Brutgeschäftes, für Kletterer das Aussteigen der Routen zum Gipfel tabu.

Bevor man jedoch am „Falkenstein“ klettern kann, muss man erst einmal dorthin gelangen. Der Weg geht zwar durch wunderschöne Natur mit herrlichen Aussichtspunkten entlang des Stausees im Schmalwassergrund, aber rund 6 km und 300 Höhenmeter mit Ausrüstung müssen auch erst einmal per pedes bewältigt sein. Auf dem Weg dorthin kann man am Ende des Stausees auch einen kleinen Umweg nehmen und ein Naturdenkmal, das „Röllchen“, durchwandern. Nur klein, aber fein, ist es ein eigenes Biotop mit kleinem Bach, der mittels des mitgeführten Gesteinsschutts in Jahrtausende währender Arbeit eine Klamm in den harten Felsuntergrund hineingeschnitten hat. Über mehrere Kaskaden und Auskolkungen hinweg gräbt sich das Wasser über etwa 100 Meter durch das Gestein. Über den oberen Ausgang der Klamm erreicht man auch direkt ein Ziel für Enthusiasten der Plattenkletterei. Trägt man leichtes Schuhwerk, sollte man sich in jedem Fall aber vorher überlegen, ob man anschließend mit nassen Füssen weiterwandern möchte oder doch lieber am Zugang zur Klamm vorbeigeht und kurz dahinter den Wegabzweig zu den Kletterplatten nimmt, alternativ direkt zum „Falkenstein“ weiterwandert. Die Platten namens „Röllchen“ und „Speckröllchen“ sind zwar nur 12 und 15 Meter hoch und bieten nur wenige, dafür aber höchst anspruchsvolle Routen. Gemein ist ihnen die überwiegend ganztägig schattige, feucht-kühle Lage, sodass diese wortwörtlich matten glatten Platten für heiße, trockene Sommertage perfekt als „Plattenspieler“ oder für Intermezzi auf dem Weg zum „Falkenstein“ dienen können.

Nach Inaugenscheinnahme kann ich die Charakterisierung des Kletterführers nachvollziehen, es handele sich um Plattenkletterei „mit moralischem Anspruch“. Einem etwaigen Mangel daran kann man mit einem Clipstick für die hoch liegenden ersten Haken aber auch etwas beikommen. 

Folgt man nur dem Wanderweg ohne Umwege und biegt dann auch an der rechten Stelle, in dem Fall nach links, ab, wird man bald schon von der außergewöhnlichen und imposanten Erscheinung des auch als „König Porphyr“ bezeichneten Felsens geradezu überwältigt. Auch für Wanderer und Mountainbiker ein Grund, dort vorbeizuschauen. Zumal die im Sommer an Wochenenden und Feiertagen besetzte Hütte der Bergwacht, angefangen bei Kaffee und Kuchen über Blasenpflaster bis hin zum Rettungshubschrauber im Falle eines Falles, auch für des leibliche Wohl sorgt.

Der talseitig knapp 100 Meter hoch aus dem Hang aufragende „Falkenstein“ wirkt wie vom Himmel gefallen und mitten in die Landschaft eingepflockt. Von außen kaum erkennbar wird er durch einen erweiterten Riss, etwas übertrieben „die Schlucht“ genannt, in zwei Teile gespalten. Für das Klettern zum Gipfel bedeutet dies vor allem zweierlei. Einerseits findet sich am bergseitigen Teil neben dem Gipfelkreuz der Abseilpunkt, von dem man nach rund 30 Metern freier Luftfahrt wieder am Boden anlangt, etwa 6 Meter vom Wandfuß entfernt. Und andererseits muss man sich zuvor meist einem „Überfall“ aussetzen. Eine wirklich kriminelle Sache, man muss sich am „Überfall“ an den Rand des Risses stellen und sich mit gestreckten Armen und nicht einknickenden Knien und Hüften vorwärts gegen den bergseitig etwas höheren Felsen jenseits des knapp anderthalb Meter breiten Risses fallen lassen, festhalten, die Beine nachholen und schon ist der Weg vom Gipfel nach unten frei.

Allerdings muss man zuvor erst mal hinaufkommen. Zu den meist stark überhängenden schweren bergseitigen Routen gesellen sich auf der Talseite schwere und schwerste konditionsraubende Routen mit teilweise bis zu vier Seillängen, bzw. Abschnitten und teilweise heftigerem Überhang als bergseitig. Wer also zum Gipfel will, findet seitens des Schwierigkeitsgrades nur wenige leichtere Alternativen. Einige sind durch die Schlucht, was aber 20 Meter  Selbstabsicherung oder Kaminkletterei im Halbdunkel zwischen den oft kaum einen Meter weiten Wänden oder den Weg über die wörtlich zu verstehende „3-Haken-Route“ bedeutet. Eine andere sehr besondere Route führt von unten seitlich in den Felsen in das „Oehlerloch“ hinein, kommt nach 20 Meter engen Kaminkletterns auf halber Höhe wieder raus und führt von dort noch eine Seillänge weiter. Wer sich all das, den Gipfel und die langen schweren Routen nicht antun mag, findet im linken Teil der Bergseite und in der “Himmelfahrtswand” auch einige Routen in den leichteren Graden.

Für Begleiter und Nichtkletterer tun sich am und rund um den „Falkenstein“ auch vielfältig Möglichkeiten zum Zeitvertreib auf, z.B. Wandern zu interessanten Zielen in der Umgebung, Fotografieren oder auch Entspannen und Sonnen auf der Liegewiese bei der Bergwachthütte und dabei mit dem Fernglas die Mühsal der Kletterer am „Falkenstein“ oder die Leichtigkeit der schnellen Falken beobachten.

 Bewegen in biblischen Dimensionen

Wer von Oberhof an den internationalen Sportstätten Bob- und Rodelbahn, Biathlonarena und Skisprungschanzen vorbei die Landstraße in den Kanzlersgrund nimmt, gelangt in das umfassendste Thüringer Klettergebiet. Der Rennsteig-Kamm, Brenner en miniature, wirkt hier oft als Wetterscheide und während im Thüringer Becken neblig-feuchte Bedingungen herrschen, können gerade die südlich exponiert gelegenen Klettergelegenheiten unterhalb des Kamms gelegentlich von sonnig-trockenem Wetter profitieren.

Das beginnt bereits beim „Hohen Stein“, einem markant und wuchtig aufragenden riesigen Porphyrblock. Als Aussichtspunkt mit Rundblick erster Güte beliebtes Ziel von Wanderern, finden Kletterer hier 2SL-Routen bis zu knapp 60 Meter Höhe mit hohem Erlebniswert. Dafür sorgen in den sanierten Routen die teilweise weiten Hakenabstände, Ausgesetztheit und ein etwas alpiner Charakter, gerade in den langen Klassikern des sechsten und siebten Grades. Erfahrung im ergänzenden Umgang mit Klemmkeilen und Friends schadet hier und da also nicht und in Anbetracht des sich manchmal crisp anfühlenden Porphyrs hilft gelegentlich bei einzelnen Tritten und Griffen auch ein fester Glaube.

Vom festen Glauben bis zu sogar heiligen Steinen ist es hier auch nicht weit, liegen diese doch nur knapp drei Kilometer weiter. Durch die sonnig exponierte Südwestlage der sogenannten 12. Apostel (-felsen) bieten sich auch trockene und von kalten Winden verschonte Kletterbedingungen, wenn anderswo nicht viel geht, selbst an Wintertagen. Elf der Heiligen sind mit vielen gut abgesicherten und meist technisch anspruchsvollen Routen ausgestattet. Bei überschaubaren Höhen bis 25 Meter sind sie bekanntes und beliebtes Ziel der Sportkletterer.

Der im Talgrund gelegene „Finkenstein“ dagegen bietet durch schattenspendende Bäume und einen vorbei rieselnden Bachlauf an heißen Sommertagen eine erträgliche Atmosphäre und überwiegend typische Wandkletterei und Strukturvielfalt bis auf etwa 30 Meter Höhe. Allerdings fast nicht in unteren Schwierigkeitsgraden und mit zumeist sehr hohen ersten Haken oder weiten Hakenabständen. Zu beachten ist, sich insgesamt nur in den erlaubten Bereichen (Zone 2) aufzuhalten und am Umlenker angekommen, den Rückweg anzutreten und nicht auszusteigen.

Wie sehr der Finkenstein natürliches und vielfältiges Biotop mit Lebens- und Rückzugsraum für seltene Flora und Fauna ist, das konnte ich bei einer der Wandertouren zur Besichtigung dort erfahren. Es waren nicht die Klettersektoren, die meine Sinne verführten, sondern eine Schlange. Nicht die biblische, aber eine wunderschöne in der Sonne dösende Kreuzotter, die ich beim Hochschauen und Rasten am Fuße der Kletterwand fast berührt hätte, als ich die Trinkflasche auf den weichen Waldboden neben mir abstellte. 

An diesem sehr heißen Sonntag war sonst niemand dort und ich hatte mich ruhig und still bewegt. Dennoch war es ein unerwartetes und vermutlich auch eher seltenes Glück, die Kreuzotter minutenlang aus nächster Nähe studieren und mit dem Smartphone sogar noch makrofotografieren zu können, selbst wenn Kreuzottern im Thüringer Wald heimisch und dem „Finkenstein“ ähnliche Habitate häufiger zu finden sind.

Wem derlei Erlebnisse mit der belebten Natur zu aufregend sind oder wer gerade keine Lust auf Klettern oder Wandern hat, dem bieten sich zur Abwechslung rund um Oberhof andere Möglichkeiten. Beispielsweise im Bikepark, beim Sommerbobfahren oder bei minus vier Grad auch im heißesten Sommer in der Skihalle auf der 1.700 Meter langen Skilanglaufbahn mit angrenzender Schießhalle (Biathlon). Auch ein Besuch, erspart andernfalls nötige Fernreisen, des botanischen Gartens für Gebirgsflora ist sehr empfehlenswert. 4.000 Arten aus Gebirgen aller Kontinente, finden im Rennsteiggarten direkt auf dem Kamm des Thüringer Waldes das für ihr Überleben notwendige raue Gebirgsklima. 

Goethe war hier!

… liest man nicht nur auf dem Schild am alten Selbstversorger-Häuschen der Suhler Hütte am Rennsteig. Ähnliches, oft mit Daten oder Hintergrundinfo, findet man auch außerhalb Weimars in großer Zahl.  Doch wenn sich ein Ortsschild zurecht damit zieren dürfte, dann das von Ilmenau. „Anmutig Tal! Du immergrüner Hain!“ beginnt Goethe sein 1783 geschaffenes Gedicht über Ilmenau, einen Ort, dem er zeitlebens herzlich verbunden war. Dass er fast schwärmerisch „Ich war immer gerne hier…“ an Schiller schrieb, kann man auch nach fast 250 Jahren noch nachvollziehen, wenn man sich in und um Ilmenau auf Goethes Spuren begibt.

Ortsfremde kommen üblicherweise auch weniger des Kletterns wegen in das kleine Städtchen im landschaftlich anmutig schönen Ilmtal. Sie kommen zumeist entweder als einer der 5.000 Studierenden an die überregional bekannte und international renommierte Technischen Universität. Oder sie kommen wegen Goethe, denn Ilmenau darf sich nach Weimar und Frankfurt mit gutem Recht als die dritte Goethe-Stadt bezeichnen. Zwischen den Jahren 1776 und 1831 war der weimarische Minister, auch als naturforschendes Universalgenie sehr aktiv, insgesamt 228 Tage (Übernachtungen) lang in Ilmenau und Umgebung und hat auch schriftstellerisch von hier gewirkt, sich viel Inspiration geholt.  "Ilmenau hat mich viel Zeit gekostet, dafür habe ich aber auch etwas dabei gelernt und mir eine Anschauung der Natur erworben, die ich um keinen Preis vertauschen möchte", resümierte Goethe, der die Stadt anlässlich seines 82. Geburtstages und wenige Monate vor seinem Tod, letztmalig Mal besuchte. 

Dabei auch in betagtem Alter den beschwerlichen Weg hoch zum Ilmenauer Hausberg, auf den Kickelhahn (861 m), nicht scheute und wie zum Abschiednehmen, noch einmal die Jagdaufseherhütte unterhalb des Gipfels aufsuchte. Mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor, am 6. September 1780, hatte er dort allein die Nacht verbracht und die Verse des weltberühmten "Wandrers Nachtlied" an die Bretterwand geschrieben. Heute ist die nach einem Brand originalgetreu rekonstruierte Hütte (inklusive Inschrift nach deren erhaltenen Abbild von 1869 aus den Kindertagen der Fotografie) als Goethehäuschen bekannt. Und dieses ein Teil des Ilmenauer Goethe Qualitätswanderwegs, der neben vielen Goethe-Stationen auch vielfältigste Natur und den Berggipfel mit historischem Turm und der Ausgrabung einer mittelalterlichen herzöglichen Jagdanlage tangiert. 

Wer das große Glück hat, das immer offene Goethehäuschen zur abendlichen Stunde und mal ohne ferne Zivilisationsgeräusche, für sich alleine zu haben, um, analog des Dichters eigenen Worten, „dem Wuste des Städgens, den Klagen, den Verlangen, der unverbesserlichen Verworrenheit der Menschen auszuweichen“ und aus den Fenstern talwärts schauend, dabei sich in die Zeit und Sphäre Goethes mediativ versetzend, wird die poetische und seelische Tiefe der bekannten Verse „Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest Du kaum einen Hauch, ….“, anders als in Schulzeiten jetzt kontextuell richtig verortet, ganz neu und auch mit etwas Gänsehaut erfahren.

Bei alldem, was Goethe mit Ilmenau und dem Kickelhahn verband, verwundert es nicht, dass es hier am Berg heute für Kletterer auch die ihm namentlich gewidmete Goethewand gibt. Sie ist auf der nördlichen Seite eines etwas weiter unterhalb des Goethehäuschens befindlichen großen Porphyrfelsens, dem Großen Hermannstein und liegt rechterhand der ebenfalls zu diesem gehörenden Goethehöhle. Bei seinen Exkursionen am Kickelhahn suchte der Dichter häufig und gern in der Höhle Unterschlupf. Eine Leidenschaft für das Klettern ist allerdings nirgends bezeugt. Neben der Höhle als Rückzugsort, er hat hier gearbeitet und viele Zeichnungen angefertigt, dürfte die am Hermannstein anzutreffende artenreiche Vielfalt der Flora auch faszinierend und fesselnd auf den Naturforscher gewirkt haben. 

Ob das Interesse daran auch der Grund dafür war, dass er mit seiner Freundin Charlotte von Stein auf einem gemeinsamen Ausflug sogar einen ganzen Tag in der Höhle verbracht hat, ist unklar. Vom gemeinsamen Klettern außen am Felsen ist jedenfalls nichts überliefert. Eher schon geben die später von ihm dazu gedichteten und heute oberhalb des Höhleneingangs auf Tafeln angebrachten Verse Aufschluss. Die Namen zweier der nebenan befindlichen sieben Kletterrouten wurden wohl auch danach gewählt, was regional so vom Sagen her überliefert sein soll. Neben Routennamen wie etwa „Mephisto“ und „Faust“ finden sich denn auch „von Stein“ und „Erfüllte Hoffnung“. 

Geht man oberhalb um den Hermannstein herum und steigt von dort, statt auf dessen über Leiter erreichbare Aussichtsplattform, auf die andere Seite etwas hinab und um den Stein herum, gelangt man zur Südwand, recht hoch und hell, welche zwölf kletterwerte Routen mit guter Felsqualität bietet.

Wiederum einige hundert Meter weiter talwärts am Weg liegt dann der 17 Meter hohe kleine Hermannstein. Auch hier finden sich einige schön kletterbare leichte bis mittelschwere Routen mit Ausblick, etwas Sachsenfeeling mit Ausstieg und Gipfelbuch.

Neben diesen naturentstandenen Kleinodien der Kletterei gibt es nicht zuletzt auch am Ortsrand von Ilmenau den schnell erreichbaren und familienfreundlichen kleinen Ratssteinbruch, mittlerweile nur noch Kletterfelsen und auch Ausbildungsort der lokalen DAV Sektion. Seine Besonderheiten liegen einerseits darin, aufgrund seines guten, festen Gesteins und seiner Lage nach wenigen trockenen Stunden bei Sonnenschein zu jeder Jahreszeit kletterbar zu sein sowie andererseits eine bis zu 30 Meter hohe Platte als Spielwiese für Steher und Techniker zu bieten.

Mehr als diese vier Ilmenauer Kletterecken gibt es nicht, aber allen gemein ist, dass nicht dem Klettern zugetane Begleiter immer Möglichkeiten finden, sich die Zeit nahebei mit interessanten Alternativen angenehm zu vertreiben, ob im „Wuste des Städtgens“ oder draußen.

Dies gilt generell für alle Thüringer Klettergebiete und beantwortet, für wen ein Besuch der Thüringer Kletterregionen infrage kommen könnte. Letztlich liegt es im Ermessen eines Jeden, aber ich gebe mal meine Einschätzung:

Von kletterzentrierten Unternehmungen wenig felserfahrener Kletterer, größerer Gruppen oder von konstant sonne- und wärmesuchenden Pizzaliebhabern oder Plaisirkletterern ist eher abzuraten.

Seilschaften oder kleineren Gruppen, die entweder schweres Sportklettern mit besonderen Herausforderungen oder einfach nur mal was Anderes suchen, bieten sich hingegen einige interessante Möglichkeiten. 

Kletterer, die das Klettern hingegen im Rahmen eines gemischten Programmes integrieren, ob in einer Gruppe, die nur zum Teil aus Kletterern besteht oder generell im Wechselspiel von Kletter-, Wander- oder kulturellen Etappen, dürften angesichts der vielfältigen Auswahl sicher auch fündig werden. 

Und, fast hätte ich es vergessen, natürlich darunter auch ganz besonders diejenigen mit einer Vorliebe für gute Bratwurst vom Rost.